Silvana
Berlin Mai 2010 bis Mai 2011
Es war Sommer, ich war 17 Jahre und hatte ein Interrail Ticket für ganz Europa.. mit meiner Gitarre und einem Rucksack war ich gerade auf dem Weg von Wien nach Polen da musste ich in Berlin umsteigen beschloss, die Stadt anzuschauen.
Als erstes: Alexanderplatz. Eine Gruppe junger Musiker aus Australien spielte dort mit Dijeridoos. Ich fragte sie welche schönen Ecken es den in Berlin sonst noch zu sehen gäbe. Sie schickten mich zum Kotti.
Als ich dort ankam, war ich sofort Feuer und Flamme für diese Ecke von Berlin! Diese viele Gerüche, Gewürze, Menschen von überall... es war ein Fest! Ich setzte mich auf den Bahnsteig der U-Bahn mit meiner Gitarre und begann Lieder zu singen. Auf Spanisch, denn meine Mutter kommt aus Peru und Spanisch ist meine Muttersprache.
Den Menschen gefiel was ich machte und manche warfen mir im sogar Münzen in meine Gitarrentasche. Nach einer Stunde singen hatte ich so viel Kleingeld zusammen, dass ich mir einen Döner kaufen konnte.
Da saß ich nun: In Kreuzberg mit einem lecker Döner in der Hand, die Gitarre neben mir. Ich war wunschlos glücklich, schwor mir bald hierher nach Berlin zurück zu kommen und hier zu leben!
Ich fuhr noch mal nach Wien, weil mir das letzte Jahr Schule noch fehlte.
Zurück in Wien ließen sich meine Eltern gerade scheiden. Mein Papa zog aus unserer gemeinsamen Wohnung aus und ich wohnte dann mit meiner Schwester und meiner Mutter alleine.
Aber ich hielt es zu Hause nicht mehr aus. Und auch die Schule kotze mich an. Ich schwänzte Schule und verbrachte viel Zeit in Parks mit Freunden die meistens nicht aus Österreich kamen. Mit Chilenen, Türken, Franzosen... Wir spielten Gitarre und schrieben Lieder aus einem Mischmasch von Sprachen. Ich mochte diese Menschen, sie waren genau so entwurzelt wie ich mich damals fühlte. Ich fühlte mich hin und her gerissen zwischen dem Südamerikanischen Blut meiner Mutter, (was ich ja auch in mir habe), meinem österreichischen Papa und meinem eigenen innigen Wunsch aus Wien weg zu gehen, nach Berlin wo ich ohne meine Familie, ohne Vergangenheit leben und sein konnte wer ich bin.
Ich wollte reisen, wollte die Welt entdecken und Berlin war für mich die Welt! Es war komisch, aber ich hatte Heimweh nach einer Stadt in der ich nur einen Tag verbracht hatte.
Die Türen knallten, und mit 17 Jahren flog ich von zu Hause raus. Ich wohnte noch ein Jahr in einer WG in, Wien, machte mein Abi und dann zog ich eeeeendlich nach Berlin-Neukölln.
Zuerst in einer netten buntgemischten Musiker WG. Die Jam Sessions am Abend waren der Hammer!
Es gab auch ein Dach in dem Haus, wo man Nachts hinaufklettern konnte und den Alexanderturm und die Sterne sah!
Ich suchte mir einen Job als Kellnerin in einem Salsa Lokal, weil ich trotz des Streits mit meiner Mutter, die Spanische Sprache vermisste. Zu Hause habe ich mit ihr und meinen Geschwistern ja immer Spanisch gesprochen.
Dann zog ich in eine Wohnung in Wedding. Die Wohnung, gehört einem Schriftsteller den ich beim Autostoppen auf dem Weg von Wien nach Berlin kennen gelernt habe.
Die Wände zwischen denen ich lebe sind mit allen möglichen Büchern ausgekleidet. Es ist ein schönes Gefühl in mitten von all den Büchern und mit Geschichten zu leben.
Neben lesen spiele ich auch noch für mein Leben gerne Theater! Das war ein wichtiger Grund weshalb ich hier in der freien Theater Szene von Berlin spielen wollte. Eines Tages hörte ich von einem Vorsprechen für eine Szenische Lesung am Deutschen Theater bei dem Junge Schauspieler mit Migrations Hintergrund gesucht werden. Da ich ja halb Südamerikanerin bin, ging ich zum Vorsprechen bei Isabella Mamatis und wurde genommen.
Die Regisseurin und die Kollegen mit denen ich die Lesung mache sind die tollsten Menschen die ich hier in Berlin kennen gelernt habe. Nach kurzer Zeit wurden wir schon richtig gute Freunde und die Proben machten Spaß und ich lernte viel.
So viel, dass ich jetzt an einer staatlichen Schauspielschule, dem Mozarteum in Salzburg aufgenommen wurde.
Berlin war für mich die schönste Zeit meines Lebens. Aber es war auch nicht immer leicht. Zum Beispiel als ich neu war und noch keinen Menschen kannte.. war ich viel allein hier. Und ich glaube da geht in Berlin nicht nur mir so. Berlin ist eine Stadt mit 70 % Zugezogenen. Menschen die ihre Kindheitserinnerungen und Familien wo anders haben. Eine Stadt wo man sich schnell alleine fühlen kann, aber gerade deswegen es nicht tut, weil fast alle um dich herum alleine zu sein scheinen. Dieses schillernde Berlin mit seinen vielen Graffitis und dem aufregendem Nachtleben, Theater, Kunst, und noch mehr Graffitis! Ich liebe es. Aber Berlin wurde für mich nach und nach auch immer mehr zu einer Stadt der Einsamen Herzen. Einsame Menschen, Tür an Tür, Fenster an Fenster, in Cafés einander gegenüber, in Supermarktschlangen Reih in Reih, am Telefon Mund an Mund, Ohr an Ohr, atmen einander an, versuchen sich zu küssen, anonyme Gesichter, mit alle dem Selben Modegeschmack auf ihren Körpern, stehen sie dann doch wieder nackt voreinander und sehen sich nicht. Finden nicht zueinander. unfähig sich anzufassen. innerlich. selbst wenn man sich hat - man wehrt sich, sträubt sich, richtet sich selbst gern ein in einer Suppe gekocht aus Freundlichkeit und distanzierter schüchterner Angst. bloß nichts wagen. bloß nicht riskieren glücklich zu werden. zumindest nicht zu sehr verletzt werden zu können. besser mauern. ganz offen sein oder Schwächen zeigen verlangt Risiko. etwas zu geben von sich. Frei und ohne Angst einfach so für einen anderen Menschen.
Ich bin zwar froh, dass ich jetzt mein Schauspiel Studium beginnen werde, aber ich bin auch traurig Berlin jetzt verlassen zu müssen. Ich habe mich in die Stadt verliebt. und sogar die Zeit wo ich einbisschen alleine und traurig war, war schön hier.
Ich bin froh in dieser bunten Stadt und mit so tollen Menschen eine Zeit gelebt zu haben. Bis bald Berlin! Bis bald Homo Migrantes Team!
Alles Liebe,
Silvana